Fujifilm GFX100RF (aus der Sicht eines Leica-Nutzers)

Hallo zusammen,

wie schon erwähnt ist eine GFX100RF bei mir gelandet. Die Kamera fand ich schon immer interessant und seit einer Weile habe ich dafür bei Ebay ziemlich dreiste Preisvorschläge gemacht. Nun hat sich tatsächlich ein Händler darauf eingelassen und ich kann die Kamera ausgiebig testen, ohne dabei zu große Verluste zu machen.

Bisher kann ich nur allererste Eindrücke schildern, aber erweitere das bei Interesse gerne um mehr Erfahrungen.

Der erste Eindruck ist definitv das Format. Keine Ahnung, wie ich es beschreiben soll, sie wirkt gleichermaßen klein (für das, was sie liefert) und klotzig, durch die fast quadratische Form. Neben die M9 gestellt zeigt sich aber, dass sie fast die gleiche Größe haben, die Fuji ist nur ca. 1cm höher.

In die Hand genommen ist sie dann erstaunlich leicht. Die Erfahrung variiert vermutlich je nach eigenem System. Im Gegensatz zu den meisten Reviews finde ich die Ergonomie hervorragend für so eine kleine Kamera. Dank des kleinen Griffs kann ich sie sehr gut und bequem halten. Aber ich habe selbst bei der M9 bemerkt, dass der kleine Daumenhalt, den die neueren Ms haben, sehr viel ausmacht. Bei der M9 benutzte ich daher jetzt so einen Aufsteck-Daumengriff. Bei der Fuji scheint mir das bisher nicht nötig.

Von den vielen Knöpfen war ich erstmal überfordert, aber wenn man sich eingeschaut hat, ist eigentlich alles, was man wirklich braucht, gut erreichbar am Body einstellbar.
Was auch gut ist, denn das Menü hat mich erst recht überfordert. Da habe ich mich mit Hilfe eines Video-Tutorials einmal durchgeklickt und hoffe, ich muss mich damit so schnell nicht wieder befassen.

Ansonsten hat die Kamera auf mich den gleichen Effekt wie die M. Sie ruft dazu auf, benutzt zu werden, sie regt mich an, sie zu schnappen und fotografieren zu gehen. Sehr gut.
Allerdings habe ich dann etwas Erstaunliches festgestellt. Das Digitale ist mir auf der Straße im Weg. Für meine Portrait- und Bühneneinsätze verwende ich ja auch eine Spiegellose mit digitalem Sucher, da habe ich kein Problem damit. Aber für meine Spass/Alltags/Streetfotos habe ich mich doch sehr an den optischen Sucher der M gewöhnt. Es ist wirklich absurd, wie sehr mich da der (exzellente) Digitalsucher der Fuji abstößt. Die Anzeige und das Blinken des Autofokus sind irgendwie im Weg. Sicherlich reine Gewöhnungssache. Was geholfen hat, war die Kamera ordentlich in Mittelformatmanier mit ausgeklapptem Display vor dem Bauch zu benutzen. Da war die Digitalanzeige plötzlich OK.

Womit ich mich bisher wenig befasst habe sind die „Spielereien“ wie Digitalfokus, Formatwahlrad und Filmsimulationen. Abgesehen davon, dass der Hebel vorne an der Kamera eine Katastrophe ist, man kommt ständig dran und spätestens beim in/aus der Fototasche nehmen verstellt sich der Zoom und man fotografiert plötzlich mit digitalen 90mm. Die RAW-Datei wird zwar nicht beschnitten, aber auf dem Display ist eben der falsche Ausschnitt. Nach einigem Suche konnte ich den Hebel zum Glück sperren.

Die RAW-Dateien sind sensationell! Detailreich und scharf bis zum letzten Pixel und mit sehr viel Potential und den Tiefen und Höhen. Für den Alltag wären mir die 100MP wahrscheinlich auf Dauer zu viel, da kommen meine Speicherkarten doch schnell an ihre Grenzen. Hier wäre es schön gewesen, wenn man wie bei der M11 oder den neueren Sonys (?) auch direkt RAWs mit geringerer Auflösung aufnehmen könnte.
Lightroom lässt sich glücklicherweise von den Dateien nicht beeindrucken, läuft auf meinem M3-Macbook Air ohne merkliche Veränderung gegenüber den 18MP-Dateien der M9. Außer man lässt die KI-Entrauschung oder derartige Funktionen drüber laufen, die brauchen natürlich entsprechend länger. Aber die Standard-Bearbeitungen laufen ohne Probleme.

Ich kann bei Interesse auch gerne RAW-Dateien zur Verfügung stellen.

Nun noch zu den beiden Elefanten im Raum, über die alle Reviewer jammern. Nur f/4 und kein IBIS. Da kann ich nur sagen Mimimi. Vielleicht bin ich da nicht die Zielgruppe, aber die Ms haben bisher auch keinen IBIS. Geht alles. Außerdem sind die RAW-Dateien wunderbar zu bearbeiten und sehen auch bei hohen ISOs gut aus. Es kennt sich doch jeder selbst am besten, also einfach die niedrigste Belichtungszeit, die man sich zutraut, in der Kamera voreinstellen und dann sehe ich da überhaupt kein Problem.
Das hilft natürlich alles nix, wenn man ein Bokeh-Monster will, aber das erklärt sich ja wohl von selbst, dass diese Kamera das nicht liefert. Auf Portrait-Distanz haben die Bilder bei F/4 trotzdem einen schönen 3D-Pop und im Street-Bereich ist 35mm F/4 (28mm F/3.2 Kleinbild-Äquivalent) eine gute Ausgangssituation.

So, das ist jetzt doch ein ganz schönes Geschwafel geworden. Ich hoffe, es war doch irgendwie interessant. Fragen gerne fragen, ansonsten gibt es dann demnächst vielleicht ein finales Urteil oder einen Vergleich zu meinen anderen Kameras.

Schon jetzt kann ich sagen, dass mir die Trennung schwer fallen wird, denn behalten werde ich sie wohl nicht, denn von der M werde ich mich nicht trennen und parallel machen sie irgendwie auch keinen Sinn … Dafür ist der Spass dann doch zu teuer.

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Vielen Dank für deinen wirklich ausführlichen Beitrag. Ich finde die Kamera ebenfalls interessant, denke aber, dass sie auch für mich nicht das Richtige wäre.

Es liest sich, als ob du mit dem Gedanken gespielt hast, sie zu kaufen und ggf. eine Leica loszuwerden, oder habe ich das missverstanden?

Wenn sie mich wirklich völlig vom Hocker gehauen hätte vielleicht. Aber ich weiß ja von der Q, dass ich mit so einem One in All auf Dauer nicht glücklich werden. War also eher wirklich reine Neugier und ein bisschen Gear Aquisition Syndrome.

Die M9 gebe ich definitiv nicht wieder her, die bleibt, bis sie auseinanderfällt. Evtl. würde ich die Monochrom opfern, weil die reiner Luxus ist. Dann würde ich quasi eine eigentlich nicht nötige Zweitkamera gegen eine andere tauschen. Aber auch das würde ich vermutlich mittelfristig bereuen.
Der Test Monochrom gegen SW-Filmsimulation steht noch aus :wink: Wobei es natürlich auch völlige Verschwendung wäre, so ein Biest als JPG-Kamera zu benutzen.

Du siehst, ich leiste noch Überzeugungsarbeit bei mir selbst :joy:

:joy: … ja, es sieht so aus. Halt mich auf dem Laufenden. Oder wir tauschen uns beim Betrachten des Bildbandes über die Fuji aus.

Ein kurzes Update: Da ich kurz davor war, die Kamera zu behalten, habe ich ausnahmsweise mal Vernunft walten lassen und mich schnell wieder getrennt.

Wobei ich sagen muss, dass der Monochrom-Modus per Filmsimulation mich echt aus den Socken gehauen hat. Die hat höchst ähnliche Tonwerte zu denen der M Monochrom produziert und das bei mehr Dynamik und besserem Rauschvehalten. Gut, nicht wirklich verwunderlich, der Sensor ist schließlich gute 12 Jahre jünger.

Aber trotzdem, ich habe ein fantastisches Setup mit meinen beiden Ms, brauche nun wirklich nicht noch ein drittes System im Haus und über kurz oder lang wäre es mir doch wieder gegangen wie mit der Q. 28mm reichen nicht und dann hätte ich in drei Jahren eine Hasselblad hier stehen :sweat_smile: Dann lieber gleich einen Riegel vorschieben. Mir fehlt ja nix, alles nur Techniksucht :upside_down_face:

Danke fürs Update. Ich kann nachempfinden, wie es dir gegangen ist. Benötigen wird man die potenzielle Neuanschaffung mittlerweile fast nie. Die Kameras sind so gut geworden.

Ich wünsche mir manchmal Abwechslung, auch was das Werkzeug angeht, und fahre hervorragend damit, zwischen einer aktuellen und einer alten Kamera, die nicht viel Geld gekostet hat, zu wechseln.

Mein EDC Carry ist gerade meine erste Kamera überhaupt – eine Canon EOS M50 mit 22mm 2.0 Pancake, das auf YT mit Leica-Glas verglichen wurde.

Ich liebe es, Optionen zu haben, beobachte mich aber auch so bisweilen dabei, mit einer Kamera zu liebäugeln, die ich wirklich nicht brauche. Ich erkenne das mittlerweile recht zuverlässig als GAS und wähle die neue Anschaffung stets ab.

Was ich nicht bereue, sind die Anschaffungen meiner D7100 und meiner 5D Classic - die gebe ich nicht wieder her. Die waren im Vergleich zu meinen neueren Kameras finanzielle Peanuts, und doch liebe ich sie sehr.

Will sagen: In meinem Fall ist teuer nicht gleich Freude.

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